# 13

Er hatte sie angefasst! Angefasst an der Stelle ihres Körpers, wo sie sich sonst nur selbst anfasste, um sich zu waschen. Mit seinem Körpergewicht hatte er sie gegen das Steinbecken gedrängt, und mit dem anderen Arm fest gehalten, so dass sie nicht wusste, in welche Richtung sie ihm noch hätte entkommen können. Pures Entsetzen war alles, was sie empfunden hatte, und dieses Entsetzen hing ihr noch in den nächsten Tagen so sehr nach, dass das, was sie ihm erst vor kurzem vorhielt, für sie in bittere Realität umschlug. Eine Sklavin kämpft jeden Tag um ein Stück Leben, um dabei doch innerlich ein bisschen zu sterben.


DER KLEINE TOD

Wenn andere vom "kleinen Tod" sprachen, dann sicherlich in einem anderen Verständnis, als das, was Gelasia nun als "kleinen Tod" empfand. Es war der Schatten des alten Baratheus, der in der Latrine aufgetaucht war und sie dort überraschte. Sein Hohn kannte offenbar keine Grenzen, denn als sie ihn dazu bewegen wollte, sich wieder hinaus zu begeben, blieb er mit verschränkten Armen vor ihr stehen und wartete ab. Wartete ab, dass sie es nicht mehr aushielt, und ihr kleines Geschäft zu Ende bringen musste, weil ihre Blase zu platzen drohte. Mit verbissenem Gesichtsausdruck erleichterte sie sich schließlich, während sie im Mondlicht, das durch das Gitterfenster herein schien, sein hämisches Grinsen zu erkennen glaubte.

Erbost stand sie auf, zog sich sofort ihr Kleid zurecht und drängte sich an ihm zum Steinbecken vorbei, um sich ihre Hände zu waschen. Sie hätte es ahnen müssen, doch ihre Wut hatte sie unvorsichtig werden lassen. Im nächsten Moment stand er bereits hinter ihr, bedrängte sie und zwang sie, sich ihres Kleides zu entledigen. Seine Hände tasteten über ihren Körper, ihre Scham. Unbarmherzig drängten sich zwei seiner Finger tiefer zwischen ihre Schenkel. 

Noch nie hatte sie solche Angst empfunden. Hatte sie zuvor nur schon der Gedanke an solche Körperlichkeiten bestürzt, war sie jetzt in regelrechte Panik verfallen. Das Grauen schüttelte ihren Leib, sie begann zu zittern und in einem letzten Aufbäumen flehte sie ihn an, ja, sie bettelte darum, er möge es nicht tun. Was auch immer er zu tun gedachte, sie flehte, als ob es um ihr nacktes Überleben ginge.

Endlich ließ er von ihr ab, nicht ohne ihr noch einen Kuss aufzudrängen. Seine weichen Lippen straften seine Boshaftigkeit Lügen, und Gelasia fühlte sich danach, als ob sie gerade innerlich ein Stück gestorben sei. Er hatte etwas in ihr angerührt, und gleichzeitig etwas abgetötet. Es war noch nicht greifbar für sie, aber sie spürte, dass es der Beginn einer Veränderung war.



INNERE REISE

Am nächsten Tag wurde sie in der Küche von Lucia und Vedius überrascht, die Lomerus im Schlepptau mit sich brachten. Bevor Gelasia überhaupt verstand, was vor sich ging, wies Lomerus an, eine große Schüssel bereit zu stellen. Er fügte einige Kräuter hinzu und goss das ganze mit heißem Wasser auf. Gelasia musste ihren Kopf über die Schüssel halten. Jemand legte ein Tuch über ihren Kopf. Ihre psychische Kraft war bereits an einem Tiefpunkt, so dass es nicht lange dauerte, dass die inhalierten Kräuter innerhalb kurzer Zeit dafür sorgten, dass sie in einen Trancezustand verfiel.

Sie fühlte sich wie in einem wunderschönen Traum. Sie war so leicht, leicht wie eine Feder. Sie sah Landschaften, die sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte. Sie flog über Berge, begleitete Wolken auf ihrem Weg durch die Lüfte. Plötzlich stürzte sie ab, prallte hart auf dem Boden auf. Doch wie durch ein Wunder kam sie dabei nicht zu Schaden. Sie durchschritt Morast, hörte fremde Stimmen an ihr Ohr dringen. Sie antwortete, aber sie begriff ihre eigenen Worte nicht. Ihre Lippen formten fremdartige Laute, die für sie keinen Sinn ergaben. Die Bäume sahen verdorrt aus, und fingen an, nach ihr zu peitschen. Sie rannte, so schnell ihre Füße sie trugen. Einem Licht am Ende der Allee entgegen. 

Sie rückte erschrocken ab, als sie sich jäh neben Vedius wiederfand, der sie im Arm hielt. Die anderen starrten sie in einer Mischung aus Ungläubigkeit und Zufriedenheit an. Gelasia hatte absolut keine Ahnung, was geschehen war. Es mussten Lomerus' Kräuter gewesen sein, die ihr einen Teil ihres Lebens gestohlen hatten. Aber vielleicht einen Teil, den sie sowieso nicht wissen wollte. 

Es war eine Erfahrung, die sie ins Grübeln brachte. Darüber hinaus gab es in den nächsten Tagen immer wieder Andeutungen und Erlebnisse, die ihr das Gefühl vermittelten, dass ernsthafte Zweifel an ihrer Jungfräulichkeit bestanden, oder dass man dafür sorgen werde, dass sie diese sehr bald verlieren würde. 

Irgendetwas war in ihr gebrochen, und dennoch loderte ein kleines Flämmchen eines Hoffnungsschimmers unablässlich in ihr weiter. Ein Hoffnungsschimmer war, an Schriften zu kommen und zu lesen. Sie verband den Leseprozess mit dem vertrauten Gefühl, das sie immer bei ihrer Mutter empfunden hatte. Wenn sie las, dann fühlte es sich an wie ein selbst gebautes Haus, zu welchem nur sie Zugang hatte. Es war ihre eigene kleine Welt. Alles, was um sie herum passierte, und jeder, der sich in ihrer Nähe befand, verschwomm dabei zu einem Schatten vor der Haustür.

Der alte Baratheus hatte ihr gestattet, in seine Schreiberstube zum Lesen zu kommen. Sie musste dafür auf dem Boden sitzen und durfte keinen Ton von sich geben. Aber das war ihr alles egal. Sie suchte Antworten. Und eine Antwort glaubte sie in diesem Buch finden zu können, das er ihr gab. Es handelte sich um Geschichten eines Volkes, das keine Schlösser vor die Türen hängte. Stattdessen knüpfte jeder seinen ganz eigenen geheimnisvollen Knoten, und sobald jemand diesen Knoten löste und falsch zusammen knüpfte, wusste der Eigentümer, dass jemand in sein Haus eingedrungen war. Sie war fasziniert von dieser Geschichte und übertrug es sinnbildlich für sich. Es war ein erster Schritt auf einem Weg, den sie zu beschreiten begann, doch er war steinig. Und sie konnte nur hoffen, dass ihr Baratheus nicht zuvor kommen würde.


Kommentare

  1. Hihi das macht er also wenn man ihm ein vermeintliches Vögelchen schickt :) er lässt sich ja ned in die Karten schauen. Aber ich auch ned! Ihr werdets euch noch wundern :p

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    1. Jaja, so san's, die oiden Laid. Je oller, desto doller. Aber irgendwann segnet jeden das Zeitliche! .........ups ;-D

      Ich bin gespannt! Das ist ja das Schöne daran, dass jeder seine ganz eigenen Pläne im Kopf hat, und diese umzusetzen versucht. Manchmal gelingt es, manchmal auch nicht. Wenn nicht, dann wird alles auf den Kopf gestellt und man muss nach neuen Wegen suchen. So oder so, es bleibt aufregend, und das nicht nur für einen RP-Abend, sondern - wie es sich bis jetzt abzeichnet - sogar für mehrere Wochen. :-)

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