# 12

Drei Tage Hausarrest! Drei volle Tage! So lautete Lucias Urteil. Gelasia durfte das Sklavenhaus nicht verlassen. Lucia zweifelte ernsthaft an Gelasias Loyalität, und sah diese Maßnahme als bitter nötig an, damit Gelasia wieder zur Vernunft käme. Denn wenn nicht, so viel ließ sie zwischen den Zeilen durchblicken, wäre es ein leichtes, sie wieder auf die Verkaufsliste zu setzen. Gelasia war regelrecht am Boden zerstört. Alles, was sie sich hart erkämpft hatte, schien sich mit einem Schlag nun doch in Luft aufzulösen.


WELCHES LIED SOLL DAS VÖGELCHEN SINGEN?

Noch einmal hatte sie den alten Baratheus in seiner Schreiberstube aufgesucht. Er tendierte allem Anschein danach, die Ruhe der Nacht zu nutzen. Es war auch für sie die einzige Zeit des Tages, zu der sie sich ungesehen aus dem Staub machen konnte. Denn noch immer fehlte ihr eine Antwort auf die Frage, was es mit dieser Vögelchen-Geschichte auf sich hatte. Sie bohrte unnachgiebig bei ihm nach. Schnell stellte sich abermals heraus, dass Baratheus dazu neigte, widersprüchliche Aussagen zu geben. Hier und da dachte sie, es sei einfach nur ein Versehen, eine Verschrobenheit aufgrund seines Alters. Wiederum in anderen Momenten glaubte sie, dass er diesen Eindruck mit Absicht provozieren wollte.

Schließlich rückte er doch damit heraus, was er von ihr wollte. Sie solle sich umhören und ihm Informationen liefern. Über einen gewissen Ludilo, der angeblich sein Unwesen treibe, Sklavinnen bedrohe und ihnen wahrscheinlich sogar nach dem Leben trachte. Er wollte, dass sie Kontakt zu anderen Sklavinnen aufnimmt, um sie auszuhorchen und zu spionieren. Das war also mit Vögelchen gemeint. Sie sollte "zwitschern". 

Natürlich wollte Gelasia wissen, was für sie dabei heraus springe, denn immerhin hatte Aurora Atticus behauptet, sie würde sie entlohnen. Der alte Baratheus tat ihre Nachfrage lediglich damit ab, dass sie dabei mitwirken könne, dass Leben gerettet werden könnten. Doch Gelasia war das zu wenig. Immerhin würde eine solche heimliche "Nebentätigkeit" dafür sorgen, dass sie Ausreden vor ihrer Herrschaft suchen müsste, und das Risiko einging, dass man deshalb an ihrer Loyalität zu zweifeln beginnen könnte. Baratheus schien ihre Einwände nicht einmal ansatzweise wahrzunehmen. Stattdessen schickte er sie weg, nicht ohne sie noch eine unerzogene und ehrlose Sklavin zu schimpfen.

Sie war über sein Unverständnis maßlos enttäuscht, und darüber, dass er stattdessen ihre Ehrbarkeit und ihre Loyalität in Frage stellte. Ihre Enttäuschung schlug in Verärgerung um, und als sie auf dem Rückweg zum Sklavenhaus war, zerriss sie sich in ihrer Wut auf Baratheus stellenweise ihr Kleid. Doch anstatt ihr Schlaflager aufzusuchen, führte ihr Weg sie in die Unterstadt. Wenn er behauptete, sie sei so ehrlos, dann solle es so sein! 

Im letzten Moment allerdings setzte wieder ihr Verstand ein. Ein alter Baratheus sollte nicht der Grund dafür sein, in ihren Grundfesten erschüttert zu werden! Diese Genugtuung wollte sie ihm nicht gönnen! In ihrem Kopf formte sich ein Plan. Der erste Schritt war, sich in der Taverne umzuhören. Eines der Mädchen konnte sie auf sich aufmerksam machen, sie ein wenig zur Seite ziehen. Immerhin konnte sie die Taverne nicht selbst betreten, ohne zu riskieren, dass man sie für eine der Fellsklavinnen hielt. Das Mädchen hörte ihr zu, brachte ihr sogar einen Becher Kalana. Immer wieder wollte diese mit ihr anstoßen. Gelasia machte mit, dachte sie doch zuerst, sie könnte so die Zunge des Mädchens lockern. Doch diese wollte sie nur betrunken machen, ihren Fragen ausweichen. 
Gelasia schläft ihren Rausch aus
Am nächsten Morgen erwachte Gelasia unter einem Karren in der Unterstadt. Irgendwie musste sie sich dorthin geschleppt haben, weil sie es in ihrem Rausch nicht zurück ins Sklavenhaus geschafft hatte. Sie stand vor Dreck, und musste eine Fahne für eine ganze Meute Nordmänner gehabt haben. Eine fremde Freie fand sie dort, verabreichte ihr ein Mittelchen, um wieder zu ernüchtern. Sie brachte sie auch zurück zum Sklavenhaus, und erfand sogar eine haarsträubende Geschichte, die den Zustand Gelasias erklären sollte. Nicht nur das, sie händigte Vedius sogar eine Goldstück für die Herrschaften zum Dank aus! Nun stand Gelasia in der Schuld der Freien. Eines Tages würde diese sicherlich diese Schuld einfordern. Nicht unbedingt das, was Gelasia eingeplant hatte. Aber nun war es so.

Vedius begleitete Gelasia nach unten in das Kellergewölbe, und staunte nicht schlecht, dass sich Gelasia unten im Bad gerade so, samt Kleid, direkt ins Wasser warf. Sie wollte den Kopf unter Wasser halten, um ihre Erinnerung nach einem Hirnbad wieder zurück zu erlangen. Als sie gerade dabei war, den Dreck von den Zehen zu schrubben, tauchte niemand geringeres als Lucia auf! Ausgerechnet! Diese war erschüttert über Gelasias Zustand, und -- weil Gelasia sich zudem nicht erklären konnte -- über alle Maßen verärgert. Lucia strafte sie nicht nur mit drei Tagen Hausarrest. Sie durfte auch innerhalb des Ludus nur noch ihrer Arbeit in der Küche nachgehen. Der Empfang von Gästen und ähnliche Aufgaben teilte sie einer anderen Sklavin zu. Mit vielem hatte sie bei ihrem Plan gerechnet, aber dass sie dabei doch so viel Unerwartetes in Kauf nehmen musste, wurde ihr erst in diesem Moment klar. Lucia spie Gift vor Wut und untersagte ihr zudem, weiteren Umgang mit dem alten Baratheus zu pflegen, sollte dieser ihr noch einmal zu nahe treten. 
Hausarrest: Gelasia schlägt die Zeit mit Arbeit tot
Doch das war gar nicht so einfach. Einfacher war es gewesen, einen der Wachsoldaten mit einer extra Ration zu bestechen, damit er sie spät in der Nacht noch auf die Gassen hinaus ließ. Sie brauchte dringend jemanden zum Reden, und das außerhalb des Ludus. Sie traf sich mit einem der Mädchen, mit dem sie immer Kochrezepte austauschte. Als sie sich schließlich wieder auf den Heimweg machen wollte, huschte sie noch schnell zu den Latrinen, denn der Tee trieb. Es war ja so erleichternd! Doch ihr kleines Geschäft wurde jäh unterbrochen, als plötzlich ein dunkler Schatten im Raum auftauchte und ungefragt neben ihr zu pinkeln anfing! (to be continued...)




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