# 5

VON KLEINEN UND GROSSEN FISCHEN

Gelasia nahm sich den Besen zur Hand und fegte alles, was im Kellergewölbe nicht niet- und nagelfest war. Solange sich die Gladiatoren nicht in ihren Zellen befanden, war das der ideale Moment, um einmal ordentlich rein zu machen. Nachdem sie ihre Aufgaben zu ihrer eigenen Zufriedenheit erledigt hatte, schlug Vedius vor, in den Hafen zu gehen. Zum einen benötigte sie frische Fische für das nächste Mahl, zum anderen könnte man so vielleicht den neuesten Klatsch und Tratsch erfahren.

Gelasia staubt alles ab. Selbst die Gladiatoren!
Vedius überraschte Gelasia damit, dass er am Stadttor plötzlich hinter die Büsche verschwand und mit zwei selbstgebastelten Angelruten aus biegsamen Ästen zurück kehrte. Gerüstet wanderten sie in den Hafen hinunter, machten es sich am Pier bequem und warfen ihre Köder aus. Doch kein Fisch wollte anbeissen. Was daran lag, dass sie beide jeden noch so kleinsten Fisch verscheuchten, weil sie über die großen hitzig diskutierten.


Gelasia erzählte Vedius über all ihre Vermutungen, wie die einzelnen Ereignissen, von welchen sie bisher gehört hatte, wohl zusammen hingen. Der Heimsteinschwur war Lomerus, dem frisch eingestellten Hausheiler, bekanntermaßen verwehrt worden. Wer wohl einen Vorteil davon habe, fragte sie sich immer öfter. Nach ihrem Wissen hatten sich bisher nur zwei weitere Kandidaten für die Wahl der Volksmagistrate zur Verfügung gestellt: der Tavernenwirt und der Parfümhändler. Beide hatten allein ihrer Berufe und Kundschaft wegen sicher die engeren Kontakte zu den Hochkastigen. Was vielleicht die Hochkastigen zu der Annahme brachte, dass sie dann auch einfacher manipulierbar seien, um ein eventuelles Veto zu verhindern, wenn es denn nötig erschiene. Waren doch diese beiden Geschäftsleute, und jeder weiß: Geld regiert die Welt. Gelasias Meinung nach wäre Lomerus der einzige gewesen, der sich noch am ehesten einer Einflussnahme der Hochkastigen entzogen hätte. Doch nun war alles anders, und sie sah Vetternwirtschaft und Korruption vorprogrammiert.

Vedius staunte nicht schlecht über ihr besonderes Interesse an den politischen Machtspielen. Auch wenn sie nur allzu deutlich gemacht hatte, dass ihr übliches Handeln davon geprägt war, ihre Stellung im Hause Crispus zu verbessern, deutete diese Wissbegierde nicht einfach nur auf bloße Zweckmäßigkeit hin. Er hakte nach, doch Gelasia wich ihm so geschickt wie möglich aus, indem sie das Gespräch auf weitere Ereignisse lenkte.  



VON RICHTIGEN UND FALSCHEN ANTWORTEN

Nachdem sie zurück gekehrt waren, genehmigten sie sich einen kleinen Abstecher zum Imbiss. Unter anderem war dort auch Aurora, die Gefährtin des Illarion. Der Prätor erschien, und Gelasia bekam auch mit, wie die beiden von dannen zogen. Kurze Zeit später standen zwei Soldaten vor ihnen und wollten wissen, ob sie Lady Aurora gesehen hatten. Die beiden waren sehr ungeduldig, und hatten es offenbar mehr als eilig. Doch weil Gelasia von zwei Ladies mit dem Namen Aurora wusste, fragte sie sicherheitshalber erst einmal zurück, welche der beiden denn gemeint sei.

Es war für Gelasia nicht zu übersehen, wie den beiden Soldaten regelrecht die Kinnlade herunter zu klappen schien. Ob nun aus Überraschung, oder aus Empörung. Rasch hatte sich dann allerdings aufgeklärt, dass tatsächlich die Aurora gemeint war, die gerade eben noch am Imbiss gesessen hatte. Da erst am Vorabend ein Kollege der Soldaten Gelasia gegenüber gezetert hatte, dass sie nur beantworten dürfe, was sie gefragt wurde, übte sie sich gleich darin. Denn unter Kollegen war man ja bestimmt der gleichen Ansicht. 

"Hast du sie gesehen?", wurde sie also gefragt, und sie antwortete mit "Ja, Herr, ich habe sie gesehen." Ein eindringlicher Blick folgte und die Frage, ob besagte Aurora gegangen sei. "Ja, Herr, sie ist gegangen", antwortet Gelasia. Die Blicke der beiden sprachen Bände, sie hielten sie offenbar für dumm. Dem einen platzte dann wohl auch die Hutschnur, und sie wurde darauf hingewiesen, dass bei dieser Frage natürlich genauso gemeint sei, dass sie verraten solle, wohin Aurora gegangen war. Am liebsten hätte sie mit "Das weiß ich nicht." geantwortet, denn das war Fakt. Doch damit die beiden nicht vollends an einem Herzinfarkt krepieren mussten, hatte sie ein Einsehen und teilte den beiden zumindest mit, dass sie gesehen hatte, wie Aurora mit dem Prätor Richtung Treppe davon gegangen war.

Als sie danach wieder ins Sklavenhaus zurück gekehrt waren, beichtete Gelasia den Vorfall ihrer Herrin Lucia. Vermutete sie doch, dass das nach den bisherigen Wirrungen und Missverständnissen ein weiterer Grund sein könnte, dass sich jemand bei Lady Lucia über sie beschwert. Und ihr war daran gelegen, dass gerade ihre Herrin ihre Handlungsweise versteht. Die vielen, teilweise widersprüchlichen Ansagen unterschiedlichster Freien sorgten bei Gelasia mehr und mehr für reichlich Verwirrung anstatt für Klarheit, was denn nun eigentlich erwartet wurde. Das Sklavenleben so nah an all diesen empfindlichen Freien war wirklich nicht einfach!



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