# 2

Gelasia trug seit ihrer Ankunft im Sklavenhaus ein deutlich luftigeres Kleid als je zuvor in ihrem Leben. Lady Lucia meinte, es könne nicht angehen, dass die Sklavin züchtiger gekleidet sei als die Herrin. Auch wenn die Tage oft heiss waren, hielt sich Gelasias Begeisterung über die Vorteile des dünnen Stoffs ihres neuen Kleides in Grenzen. Bei einem kleinen Ausflug in den Hafen zeigten sich die Tücken des Textils. Nach nur wenigen Schritten war es unaufhörlich vonnöten, den Stoff zurecht zu zupfen, weil er sich zwischen die Backen ihres werten Hinterteils zu verfangen drohte. Sie begann zu verstehen, warum die reichen Freien so oft so launisch waren und nach Entspannung gierten. Das Tragen dieser leichten Stoffe war die reinste Tortur!


HINTER VERSCHLOSSENEN TÜREN

Herrin Lucia kündigte bereits für den nächsten Abend Besuch an. Eine Freundin des Hauses, die Nichte des Prätors, wurde erwartet. Es hieß, sie wolle die neuen Gladiatoren ganz genau unter die Lupe nehmen. Der Wetten wegen, wer der vielversprechendste für ein hübsches Gewinnsümmchen sei.

Mit verschwörerischem Blick wurde Gelasia von Lady Lucia angewiesen, für das leibliche Wohl des Gastes zu sorgen. Und zwar in vollem Umfang. Denn wie diese ja bereits wusste, hatte Gelasia Kenntnisse über Lebensmittel mit aphrodisierender Wirkung. Für den bevorstehenden Anlass schlug sie also unter anderem dunkle Schokolade mit Eiweiß zu einer lockeren Masse auf und garnierte diese in kleinen Schälchen verteilt mit Erdbeeren und Mandelsplittern. Außerdem verteilte sie im unteren Raum einige wohlriechende Räucherstäbchen.

Kaum war der Gast im Hause, wurde die Nichte des Prätors in die unteren Gewölberäume geführt. Zwei Gladiatoren hatte Gelasia zu den beiden Damen nach unten zu bringen, bevor sie die schwere Holztüre mit dem ihr anvertrauten Schlüssel sicher hinter sich verriegelte. Niemand sollte gestört werden.

Hinter verschlossenen Türen wurden die Gladiatoren in den nächsten Stunden allerdings nicht nur mit den Augen begutachtet. Jeder im Ludus wusste, weshalb die freien Frauen die muskelbepackten Kämpfer besuchten. Es war ein offenes Geheimnis. Hier unten in den tiefsten Gewölben konnte keiner die verzückten Schreie der feinen Damen hören. Hier sollten sie sich sicher und frei fühlen. Und das taten sie an diesem Abend ganz offensichtlich.


„DANN WIRD DEIN KOPF ROLLEN!“

Das Sklavenhaus Crispus erfreute sich auch in den nächsten Tagen regen Zuwachses. Neue Sklavinnen und Gladiatoren bevölkerten die unteren Räume. Unter anderem lernte sie kurz den Gladiatoren Vedius kennen.

Dieser Vedius steckte ihr, dass ein Streit entbrannt sei. Man munkle, die Nichte des Prätors habe bei ihrem Besuch im Hause Crispus nichts geringeres als ihre Unschuld verloren! Gelasia wagte nicht, sich näher mit den möglichen Folgen daraus zu befassen, denn zunächst standen Besorgungen im Hafen für die abendliche Küche an. Auf dem Weg dorthin wurde sie am Tor aufgehalten. Es war Aurora, die Gefährtin von Lucias Bruder Illarion. Diese winkte sie beiseite.

„Wer kocht bei euch im Hause das Essen?“, wollte Aurora wissen. Gelasias Alarmglocken schrillten. Schneller als sie befürchtet hatte, wurde sie zwischen den Mühlen der Schönen und Reichen wie ein kleines Korn zermahlen. Eine Lüge jedoch hätte sie in noch größere Schwierigkeiten gebracht. Daher antwortete sie wahrheitsgemäß, dass es ihre Aufgabe war. Sie hatte es bereits nach Vedius Vorwarnung geahnt, dass man ihr eine Vergiftung unterstellen könnte, sich das aber zuvor noch nicht eingestehen wollen. „Wenn du das Essen zubereitest und da etwas drin war, was nicht hinein gehört, wird dein Kopf rollen!“, drohte Aurora ihr.


POLITISCHES RÄNKESPIEL?

Eine angedrohte Todesstrafe! Und das alles nur wegen einer einfachen Schokoladenspeise! Das klang so sehr an den Haaren herbei gezogen, dass in Gelasia ein anderer Verdacht aufkeimte. Vielleicht war dieses Entjungferungsgerücht nur erstunken und erlogen. Denn wer hätte einen Vorteil durch ein solches Gerücht? Wer wollte damit wem schaden? Mit welchem Motiv? Eifersucht, Neid, Rache, das waren ganz typische Motive. Wer also käme dafür in Frage?

Jemand aus dem Hause Crispus könnte es nicht gewesen sein. Die Herrschaften würden sich damit selbst schaden, und jeder andere hätte seinen Kopf gefährdet. Lady Lycia würde vielleicht nicht den Kopf, aber mindestens den Kragen riskieren. Und der Prätor würde sicher alles daran setzen, ein solches Gerücht zu unterbinden, wenn er nicht seinen Ruf aufs Spiel setzen wollte, weil die ganze Unterstadt über die Unfähigkeit der feinen Herrschaften lachte, ihre umtriebigen Töchter und Nichten im Zaum halten zu können.

Also warum das alles? Lag es denn nicht vielmehr auf der Hand, dass man dem Hause Cripus und dem Prätor samt seiner Familie schaden wollte, indem man ihre Reputationen mit einem ungeheuerlichen Skandal zerstörte?

Auch wenn Gelasia sich äußerlich nichts anmerken ließ, so kehrte sie beinah rasend vor Wut zurück. In diesem Spiel war sich jeder selbst der Nächste, und sie würde sich nicht damit abfinden, ohne Gegenwehr zur Bauernfigur in diesem Machtspielchen degradiert worden zu sein. So einfach wollte sie es ihnen nicht machen! Und schon gar nicht dieser Wahnsinnigen Aurora, die es direkt neben dem Stadttor, nur wenige Schritte von den Wachsoldaten entfernt, doch tatsächlich gewagt hatte, ein Messer gegen einen Mann zu zücken! Auch wenn es nur ein Seemann war.


UNERWARTE WENDUNG

Angriff ist die beste Verteidigung, hatte sie einmal gehört. Deswegen klärte sie ihre Herrin in einem Gespräch unter vier Augen über die unerhörte Unterstellung und die unfassbare Drohung Auroras auf. Lady Lucia war offensichtlich nicht darüber entzückt. Die Zeichen standen für Gelasia wieder etwas besser.

Am nächsten Morgen wäre sie um ein Haar rückwärts ins Haus zurück gefallen, als sie auf das Klopfen an der Tür hin den Prätor davor stehen sah. Der Prätor! Ihr rutschte das Herz nach unten. Dieser wollte dringend die Hausherrin sprechen, und Gelasia befürchtete großen Ärger.

Was nun jedoch folgen sollte, brachte sie vollends aus der Fassung. Der Prätor hatte ein Einsehen und entschuldigte sich formell bei Lady Lucia und dem Hause Crispus! Der Prätor! Höchstpersönlich! Er wollte diese unleidliche Geschichte endlich aus der Welt schaffen. Hatten die Vorkommnisse um diese Sache doch allen Seiten gleichermaßen nur unnötig geschadet.


Gelasia war wirklich überrascht, denn so viel Vernunft hatte sie bei den feinen Herrschaften nach ihren bisherigen Erlebnissen nicht mehr zu erwarten gewagt. Der Stolz des Prätors war sicherlich ein wenig angekratzt, aber wenn er ihnen keine Komödie dargeboten hatte, dann hatte er sich nach diesem Besuch den Respekt des Hauses Crispus gesichert.


Ihr Kopf würde also doch nicht rollen. Aber eines stand für Gelasia außer Frage: Diese Aurora war entweder ein viel zu übermütiges, naives Mädchen, oder aber sie trieb ein böses Spiel. Und wenn letzteres zuträfe: wovon wollte sie damit ablenken?



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